Erstattungsfähigkeit eines Aufschlags zu den Mietwagenkosten über dem Normaltarif

OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.12.2010 – 6 U 166/10

Erstattungsfähigkeit eines Aufschlags zu den Mietwagenkosten über dem Normaltarif

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.09.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Halle wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.723,46 EUR und weitere 57,41 EUR nebst Zinsen aus 2.723,46 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 18.11.2009 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten restlichen Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls mit einem sich im Einsatz befindenden Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr.

Mit am 07.09.2010 verkündetem Urteil hat das Landgericht Magdeburg der Klage überwiegend stattgegeben, wobei es die Betriebsgefahr des von dem Kläger gesteuerten Fahrzeugs mit 20 % angerechnet und insbesondere die zu ersetzenden Mietwagenkosten unter Verwendung der Fraunhofer-Liste geringer veranschlagt hat.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die teilweise Klageabweisung. Bezüglich der Zinsforderung hat er seinen Antrag zu Ziffer 1) dahingehend abgeändert, dass er nunmehr insoweit ebenfalls Zinsen ab dem 18.11.2009 begehrt.

II. Die Berufung hat überwiegend keinen Erfolg.

1. Die erstinstanzlich festgesetzte Haftungsquote ist nicht zu beanstanden.

Zutreffend geht das erstinstanzliche Gericht davon aus, dass eine Berücksichtigung der Betriebsgefahr im Rahmen eines Mitverschuldens nur dann im Rahmen des § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen wäre, wenn ein Fall höherer Gewalt vorgelegen hätte. Derartige Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der Kläger vorträgt, der Unfallbeteiligte S. sei schnell, vorfahrtswidrig und durch seine Fahrweise auf der linken Fahrbahnseite ihm auch die Reaktionszeit beschneidend von einer Nebenstraße, die zudem schwer einsehbar gewesen sei und in einem spitzen Winkel verlaufe, hinter einem Busch förmlich dem Geschädigten vor sein Auto gestürzt, rechtfertigt dies vorliegend nicht, den Ausschlusstatbestand anzunehmen. Der Vorfahrtsverstoß begründet gerade die überwiegende Haftung des Unfallgegners. Hinsichtlich der geltend gemachten Schnelligkeit ist dem Kläger allerdings entgegenzuhalten, dass es sich bei dem Unfallgegner um einen Fahrradfahrer handelt, sodass naturgemäß dessen Fahrgeschwindigkeit begrenzt war. Auch im Übrigen ist eine Verkehrssituation weder konkret dargetan noch unter Beweis gestellt, die eine alleinige Haftung der Beklagten begründen könnte. Die allgemeine Einschätzung des Verlaufs der Verkehrsfläche und der Sichtverhältnisse genügt insoweit nicht.

2. Mietzins

a) Zuschlag von 25 %, Verwendung der Fraunhofer-Liste

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 160, 377, 383; NJW 2008, 1519; NJW 2009, 58, NJW 2010, 1445). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Steht zur Überzeugung des Tatrichters fest, dass dem Geschädigten die Anmietung zum Normaltarif nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, kann der Geschädigte in einem solchen Fall einen den Normaltarif übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (BGH NJW 2010, 1445, 1446; OLG Köln, Urteil vom 11.08.2010, 11 U 106/09, zitiert bei juris, Rdnr. 4).

Die Art des Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. In geeigneten Fällen können Listen und Tabellen bei der Schadensschätzung durchaus Verwendung finden (BGH VersR 2010, 1054; BGH VersR 2008, 699, 700). Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2010, 1445, 1447; VersR 2010, 683, 684). Andererseits hat er auch eine Schätzung auf der Grundlage anderer Listen und Tabellen, wie etwa der sogenannten Fraunhofer-Liste, oder eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen als nicht rechtsfehlerhaft erachtet (BGH VersR 2010, 1054, 1055).

Das erstinstanzliche Gericht hat zu Recht den Kläger auf den Normaltarif verwiesen. Ein 25-prozentiger Aufschlag auf den Normaltarif ist nicht gerechtfertigt. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Zu ergänzen ist lediglich, dass der Aufschlag auch nicht im Hinblick auf die Anlieferung und etwaige Zusatzleistungen begründet werden kann, denn ausweislich der vorgelegten Kopie des Mietvertrages sind insoweit weitere 69,90 EUR vereinbart worden. Der Kläger hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass ihm eine andere Anmietung nicht möglich gewesen wäre. Der Vortrag erweist sich insoweit bereits als widersprüchlich, da der Kläger selbst erstinstanzlich vorträgt, weitere Angebote eingeholt zu haben.

Auch ist die Zugrundelegung der Fraunhofer-Liste ist nicht zu beanstanden. Die Liste ist aufgeschlüsselt nach Postleitzahlenbereichen unter Angabe der Stationen und Nennungen. Soweit der Kläger zweitinstanzlich pauschal vorträgt, die Verwendung der Liste möge zwar in Großstädten korrekt sein, nicht aber im ländlichen Bereich, kann dem nicht gefolgt werden, da für die streitgegenständliche Region eine ausreichende Datenbasis besteht.

b) Anzahl der Tage

Das Landgericht hat zu Recht nur 11 Kalendertage für erstattungsfähig erachtet. Auch nach der Berechnung des Klägers im Hinblick auf das bevorstehende Wochenende und einer erst in der Folgewoche möglichen Reparatur ergibt sich nichts anderes. Allein die Behauptung, die Reparatur habe sich konkret bis zum 02.07.2009 erstreckt, rechtfertigt aufgrund der sachverständigen Ausführungen keine andere Bewertung.

3. Zinsen

a) Bezüglich des Klageantrags zu Ziffer 1) ist der Zinsanspruch aufgrund der geänderten Antragstellung im Hinblick auf die zuerkannte Forderung aus einer Summe von 2.723,46 EUR (2.176,77 EUR plus 546,69 EUR) zuzusprechen, §§ 280, 286, 288 ZPO.

b) Bezüglich des Klageantrags zu Ziffer 2) errechnet sich die Zinsforderung aus einer Summe von 6.018,57 EUR (gezahlte 3.295,11 EUR plus zuerkannte 2.723,46 EUR). Soweit das erstinstanzliche Gericht von einer Summe in Höhe von 6.005,56 EUR ausgeht, ist diese nicht nachvollziehbar.

Hieraus ergibt sich für den Zeitraum vom 11.09.2009 bis 17.11.2009 bei 68 Tagen und einem Zinssatz von 5,12 % eine Zinsforderung in Höhe von 57,41 EUR. Insoweit war diese Summe zu berichtigen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, § 319 Rdnr. 22).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711, 713, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

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